Daphné Dorel

Frankreich

In den letzten Jahrzehnten erlebt das Thema Landschaft ein erstaunliches Revival in der bildenden Kunst. Dabei ist die Bandbreite dessen, was sich thematisch als Landschaft im weitesten Sinn definiert, ungeheuer groß. Unser Blick auf die Natur wurde nicht zuletzt durch Malerei des 19. Jahrhunderts geprägt, ihre Vorliebe für bestimmte Ansichten wurden zu Postkartenmotiven und heute zum „instagramtauglichen“ digitalen Foto. Doch die Kunst hat dies mittlerweile längst in Frage gestellt. Bereits die Landschaften des 19. Jahrhunderts waren keine realen Ansichten, sondern inszenierte Bildkompositionen. Heute jedoch ist es kaum mehr möglich, Landschaften als unberührte Idylle zu zeigen. Auch die französische Künstlerin Daphné Dorel (*1974 Paris/Frankreich) malt keine heile Welt, sondern entwickelt in ihren Bildern ihre eigenen Interpretationen des Landschaftsbildes. Zuweilen sind es dystopisch anmutende Bilder wie in der Serie „Vendée“, Ölgemälde, die die Natur des französischen Departements „Vendée“ zeigen, eine Region im Pays de la Loire. Die kahlen Bäume und die Farbgebung lassen an das Ende der Welt denken. In anderen Bildern hingegen, etwa in „Bretagne“, in den sommerlichen Küstenlandschaften der französischen Insel Porquerolles, herrscht eine ganz andere, ja fröhliche Stimmung. Oft verwendet Dorel als Vorlage für ihre Bilder alte Fotos. Ihre Protagonist:innen – Kinder wie Erwachsene – erscheinen dann in einer Kleidung oder Pose, die aus den 1930er- oder 1950er-Jahren stammen könnte. Durch diese Vermischung der Zeit werden auch Emotionen hervorgerufen, die uns als Betrachtende vielleicht an die eigene Kindheit denken lassen oder an jene der Eltern und Großeltern. Sie geben den Bildern eine eigene, nahezu melancholische Stimmung und holen die Vergangenheit wieder in die Gegenwart. Dorels Bilder sind flächig und ihre Landschaften von intensiver, leuchtender Farbigkeit. Den Bildern ist zudem eine gewisse Dramatik eigen, die sich sowohl durch das Motiv als auch durch die gekonnten Farbsetzungen aufbaut. Formal erinnern sie an die Bilder von David Hockney und Félix Vallotton. Wobei beide sich ganz unterschiedlich mit dem Bildraum beschäftigen. Diese Bandbreite malerischer Möglichkeiten wird von Dorel aufgegriffen. So spielt sie mit der Strenge scharfkantiger Umrisse ebenso wie mit einer weicheren Umrisslinie und einem malerischen, abstrahierenden Verschwimmen der Farbflächen, führt einmal in den Tiefenraum oder baut das Bild mittels horizontaler Farbflächen auf. Ihre Bilder gehen somit über das Narrativ der sichtbaren Darstellung hinaus. Die Bildelemente sind klar und präzise definiert. Dorel malt nicht expressiv, gestisch, die Motive und Farbflächen sind zuweilen fast collageartig zueinandergesetzt. Doch ist eine Geschichte dahinter spürbar. Die positive Stimmung ihrer lumineszierenden Landschaften, die Idylle in der Darstellung der Blumen betrachtenden Frau kann durchaus kippen. So fängt sie einerseits das Licht des Südens ein und in anderen Bildern durch eine dunklere Palette auch die bereits sichtbare radikale Veränderung ganzer Landschaftsregionen. Es ist kein Arkadien, in das uns Dorel mit ihren Bildern führt, viel eher formuliert sie eine Sehnsucht an der Schwelle eines drohenden Verlustes.