Ausstellung - A Wildlife Fantasy
17. 07. - 15.11.2024 im Red Bull Hangar-7 in Salzburg
Andy Warhols Siebdruck-Mappe „Endangered Species“, die er Anfang der 1980er-Jahre schuf, zeigt nicht nur den ikonischen Siebdruck mit dem Kopf eines Orang-Utans, sondern auch eine Reihe andere Tiere, von Rhinozeros über Tiger bis zu Frosch. Auch wenn zunächst die poppige Formensprache Warhols dominiert und gerade der Orang-Utan wie eine Fortsetzung seiner bekannten Serie „Idole“ erscheint, steckt doch eine andere Intention dahinter. „Endangered Species“ war ein Auftrag der Kunsthändler Ronald und Frayda Feldman nach gemeinsamen Gesprächen mit dem Künstler über die bereits damals sichtbaren ökologischen Veränderungen.
Warhol besaß ein Strandgrundstück auf Long Island und ein unbebautes Grundstück in Colorado. Tiere waren bereits in der Schulzeit Thema seiner Zeichnungen. Die Kuhtapete und seine Drucke und Zeichnungen von Blumen mögen Pop-Art sein und aus der Werbung generiert, doch setze er sich mit der Bedrohung der Natur auseinander. Warhols 15 Hektar großer Strand ist heute das Andy Warhol Preserve, ein Geschenk der Andy Warhol Foundation for the Visual Arts an The Nature Conservancy, eine gemeinnützige Naturschutzorganisation in den USA. Das Thema Umweltschutz ist heute brisanter denn je.
2023 zeichnete der in Bogota, Kolumbien, lebende Künstler Kevin Simón Mancera die Serie „Forget Me Not“ auf Basis der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature – eine der umfassendsten Informationsquellen und wichtiger Indikator für den Zustand der biologischen Vielfalt. Die Serie zeigt bereits ausgestorbene Tierarten. Denn viele Arten erhalten keine zweite Chance. Sie verschwinden nach und nach von unserem Planeten. Mancera hat einige von ihnen in seinen Zeichnungen wieder in Erinnerung gerufen.
Die Brisanz dieses Themas ist auch in der Ausstellung greifbar. So sehr auf den ersten Blick das Wilde, Fantastische des „Wildlife“ im Vordergrund steht oder wir von mythischen Fabelwesen erfahren, betonen doch nahezu alle Künstler auch die Ambivalenz und Brisanz der von ihnen dargestellten Fauna. Der südafrikanische Künstler Jaco van Schalkwyk weist in unserem Gespräch auf David Attenboroughs Dokumentarfilm „A life on our Planet“ hin. Jaco van Schalkwyk hatte das Privileg, in Südafrika, einem der letzten wilden Gebiete der Welt, aufzuwachsen. Von klein auf besuchte er mit seiner Familie regelmäßig Nationalparks wie den Krüger-Nationalpark. In dieser natürlichen Umgebung entdeckte er seine Liebe zur Natur und zur Kunst, die er eindrucksvoll in seinen Gemälden festhält. Umso mehr berührte ihn der Film des englischen Naturforschers. „David Attenborough dokumentiert auf beunruhigende Weise, wie sich der Zustand der natürlichen Ressourcen des Planeten stetig verschlechtert. Er endet mit der traurigen Statistik, dass heute nur noch 35 Prozent der ursprünglichen Wildnis auf der Welt übrig sind. Die Zerstörung des Planeten führt er auf die enorme Bevölkerungsexplosion zurück, die die Ressourcen der Welt ausbeutet und die biologische Vielfalt dezimiert, indem sie versucht, Nutzpflanzen anzubauen.“
Bilder von Tieren gibt es, seit unsere Vorfahren diese auf Höhlenwände gezeichnet haben. Bis heute sind sie ein zentrales Motiv der Kunstgeschichte – sei es, dass sich darin gesellschaftlichen Fragen der Zeit widerspiegeln, sei es, dass die Faszination des wilden Tieres, seine Schönheit und Ästhetik dominiert. Künstlerinnen und Künstler aller Epochen haben in ihren Werken Tiere dargestellt, von den altsteinzeitlichen Höhlenbildern im spanischen Altamira bis zu Gerhard Richters und Herbert Brandls Raubkatzen oder Louise Bourgeois’ monumentaler Skulptur einer Spinne. Domestizierte Tiere und Tiere der Wildnis bis hin zur digital generierten Kreatur des Londoner Künstlertrios Troika. Bewegt von einem Roboterarm hackt diese auf einen Baum in einer dystopischen Landschaft ein und scheint diesen – scheinbar letzten Baum – noch fällen zu wollen. Die allzu menschliche Bewegung dieses Zottelwesens irritiert und wirft die Frage nach unserem Umgang mit der Welt unmissverständlich wieder auf uns zurück.
Viele Tiere haben wir gezähmt und zu Nutztieren gemacht. Die Wildnis hingegen birgt immer noch viele Geheimnisse. Auch wenn wir scheinbar vieles erforscht und wissenschaftlich kartiert haben, lässt sie uns stets noch staunen. Staunen über die unfassbare Schönheit der Gefieder und Tierfelle, über der Balzrituale der Paradiesvögel, über das Überleben vieler Tierarten in den kargsten und eiskalten Regionen, über die Kletterkünste der Alpentiere, die majestätischen Flügelschläge des Adlers, über die weiten Strecken, die Zugvögel zurücklegen können, oder über die Jagdfertigkeit der Löwinnen und den sozialen Zusammenhalt einer Elefantenherde, das lang gespeicherte Wissen ihrer Leitkühe über oft lebensrettende Wasserplätze.
Die Erde hat viele und wunderbare Orte, lässt Platon den griechischen Philosophen Sokrates sagen, sodass sie zu schauen ein beseligendes Schauspiel ist. Die Wildnis ist der Glücksfall des Weltbetrachters, des „Contemplator Mundi“, denn sie ist der Inbegriff der Vielfalt, die zu erfassen eine Lebensspanne zu kurz ist. Die Anziehungskraft der Wildnis ist ungebrochen. Der Lebensraum, den wir der Natur noch zur Verfügung stellen, wird allerdings immer kleiner.
(Text: Silvie Aigner)
KünstlerInnen
Alexander Kiessling
Joel Daniel Phillips
Lionel Sabatté
Jaco van Schalkwyk
Jake Michael Singer
Max Mavior
Johannes Lauter & Evelyn Weinzierl